Bubbling - in der Kommunikationsblase gefangen

Man hört heute oft, dass wir in Blasen leben sollen, und wundert sich, wie das gekommen sein mag. Es kam schleichend, wie der Frosch nicht merkt, dass er gekocht wird, wenn man ihn ins lauwarme Wasser wirft und es langsam zum Kochen bringt. So erzählt man sich zumindest, dass die Franzosen es machen. Völlig neu können diese Blasen also nicht sein. Irgendwo muss die Seife her gekommen sein -

 

Seit es Zeitungen gibt, liest man die, die einem liegt, die die eigene Meinung bestätigt. Schon kurz nach der Erfindung des Buchdrucks lasen die Katholiken katholische und die Protestanten protestantische Schmähschriften und versicherten sich, dass entweder der Papst oder Luther der Teufel sei oder doch mit ihm verbündet. Mit denen von der anderen Seite sprach man nicht. Die Ordnung des westfälischen Friedens, die festlegte, dass die Einwohner jedes Landes die Konfession ihres Fürsten haben sollten, machte es zusätzlich unnötig, sich mit Menschen unterhalten zu müssen, die anderer Meinung waren als man selbst. Die Juden wurden von Philipp II. aus Spanien, die Hugenotten von Ludwig XIV. aus Frankreich vertrieben. Puritaner hatten nach der glorreichen Revolution 1688 in England nicht mehr viel zu lachen. Sie verließen es und gründeten die USA. Das stimmt so natürlich nicht ganz. Aber sie spielten eine wichtige Rolle bei der Formung eines amerikanischen Unabhängigkeitsgefühls und -bewusstseins und seines latenten Sendungsbewusstseins! Wenn man andere ausschließt und von sich weist, kann also etwas Neues entstehen. Und die Nationen Europas waren somit die ersten Kommunikationsblasen! Wenn die 'Anderen' aber nicht weggehen, sondern Haus an Haus mit uns weiterleben, nur eben von uns ignoriert, entstehen Spannungen und Probleme.

Schon 1982 sprach der Philosoph und Soziologe Jürgen Habermas in einem Beitrag zu einem Sammelband von der "Neuen Unübersichtlichkeit". Darin stellte er fest, dass die Gesellschaft nicht mehr in Schichten gegliedert sei, sondern in Gruppen zerfallen, die sehr schwer zu definieren seien. Jede dieser Interessengruppen habe ihre eigenen Hoffnungen und Befürchtungen und es sei fraglich, ob diese vielen Utopien unter ein gemeinsames Dach zu bringen seien. Das Paradies des Einen ist bekanntlich der Alptraum des anderen.  

Das Internet hat diese Prozesse nur beschleunigt und auf die ganze Welt ausgedehnt, erschaffen hat es sie nicht! Aber die Mitglieder der Interessengruppen an verschiedenen Orten können sich nun viel leichter miteinander vernetzen, ihr Handeln koordinieren und  sich gegenseitig in ihrer Überzeugung bestärken. Neu ist es auch nicht, mit Schmutz um sich zu werfen. Die Hexenjagden hatten nicht nur im 17. Jahrhundert in Salem Konjunktur, sondern auch in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts in McCarthys Amerika, dessen Chefankläger Roy Cohn nebenbei bemerkt Trumps Mentor wurde (ich empfehle hierzu: Michael D'Antonio - The Truth about Trump). Es fehlte im jüngsten Wahlkampf nur, dass man sich gegenseitig vorgeworfen hätte, mit dem Teufel unter einer Decke zu stecken. Viel fehlte dazu nicht. Aber man fand reichlich säkulare Äquivalente zum Hexerei-Vorwurf!

Die Lügen, die Trump erzählte, sollten dabei nicht überbewertet werden. Zu einem Großteil erzählte er nur, was ihm gerade in Sinn kam und das bei seinem Publikum auf seiner Tour durch die Hallen der amerikanischen Kleinstädte gut angekommen war. Er zog eine Show ab wie ein Comedian. Und wie ein Comedian hatte er als Showman, wie sein Vater einer gewesen war, bald ein Gespür dafür, was er erzählen musste, um die Emotionen seiner Fans auflodern zu lassen. Nein, um Fakten ging es wirklich nicht. Es ging um Gefühle, um einen Aufstand der Gefühle gegen die Fakten! Aber solch ein Aufstand ist immer auch eine Auflehnung gegen Autoritäten.

Es ist mir zwar zuwider, etwas Positives über Trump und Konsorten zu sagen. Aber In der langen Geschichte der Befreiung, die in der Völkerwanderung als Befreiung von Stammesstrukturen begann, sich als Befreiung von Papst und den König von England fortsetzte, in der Bürgerrechtsbewegung der 68er Triumphe feierte, findet in den Lügen der Kommunikationsblasen, die sich von der großen offiziellen Blase des staatlichen Informationsapparates und der großkapitalistischen Informationsindustrie zu emanzipieren versuchen. Auch die Vertreter der Gleichberechtigung von Homosexuellen und Farbigen, des Umwelt- und Verbraucherschutzes leben schließlich in Blasen. 

 

Das 21. Jahrhundert wird zeigen, wie es gelingen wird, alle diese Blasen in Einklang miteinander zu bringen und in eine einzige große Blase einzubetten. Dazu, miteinander zu verschmelzen, wird man sie wohl nicht bringen können. Wir werden uns in Zukunft für Kommunikationsblasen entscheiden und zwischen ihnen möglichst verantwortungsvoll, möglichst ohne Hass hin und her wechseln können und müssen. So, wie es heute auch ohne weiteres möglich ist, zwischen den früher verfeindeten Konfessionen hin und her zu wechseln. Es wird darauf ankommen, Regeln für die Koexistenz dieser Blasen zu finden. 

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