Auch ich werde nicht umhin kommen, etwas zum Anschlag in Berlin zu sagen, der 12 Menschen das Leben kostete. Der Terrorismus ist damit nach langer Zeit schließlich auch in Deutschland angekommen. Das ist aber auch schon alles, was feststeht. Weiterreichende Spekulationen anzustellen, ist nicht nur gegenüber den Hinterbliebenen der Opfer taktlos. Es entbehrt auch jeglicher Grundlage. Natürlich konnte die AfD es sich nicht verkneifen, die Kanzlerin für diesen feigen Anschlag verantwortlich zu machen. Natürlich entbehrt dieser Vorwurf jeglicher Plausibilität. Ihre Wir-haben-es-ja-gleich-gesagt-Rhetorik ist nicht nur taktlos im Angesicht des Todes. Sie ist auch falsch! Frankreich hat keine Flüchtlinge aufgenommen und das gleiche Schicksal erlitten, ja noch mehr Tote zu beklagen. Fast schon unnötig, zu erwähnen, dass über die Identität des Attentäters nichts mit Sicherheit gesagt werden kann.
Das Wir-haben-es-ja-gleich-gesagt gehört allerdings zu den demokratischen Traditionen! Natürlich ist die AfD eine Geschmacklosigkeit. Gehobener Geschmack gehörte allerdings nie zu den Besonderheiten des Parlamentarismus. Die Demokratie ist ein Markt. Die Anbieter auf diesem Markt bieten Politiken an, politische Vorgehensweisen. Da gehört es zum Verkaufsgebaren, zur Politik der regierenden Partei oder Parteien dem potentiellen Käufer, also Wähler ins Gedächtnis zu rufen, dass man selbst es anders hätte machen wollen. Im Fall der AfD trifft das aber selten tatsächlich zu. Meistens zieht sie Kausalverbindungen, wo keine sind, was bei dem hohen Anteil von Akademikern in dieser Partei schon verwundert! Sie setzt auf den Zufallseffekt und verkauft als Konsequenz der Politik der amtierenden Kanzlerin, was vermutlich eine unabhängige Variable ist, also in jedem Fall und unabhängig von der aktuellen Politik geschehen wäre.
Wichtiger, als nach der Schließung der Grenzen zu rufen, ist es zunächst innezuhalten, zu trauern und das Ergebnis der polizeilichen Untersuchungen abzuwarten. Es ist erfreulich, festzustellen, dass der Großteil der deutschen Bevölkerung die Ansicht teilt, dass man gerade jetzt nichts ändern sollte, außer noch wachsamer zu sein. Auf keinen Fall dürfen wir unsere eigene Freiheit oder die Anderer beschneiden, um Sicherheit zugewinnen, weil wir sonst beides nicht verdient hätten. Wir dürfen letzten Endes nicht vergessen, dass wir im Land des Holocaust leben. Dass es in Deutschland keine flächendeckende Videoüberwachung gibt, ist gut. Denn mit Überwachung haben wir schlechte Erfahrungen gemacht. Das soll nicht heißen, dass ein direkter Weg von der Videokamera zur Verfolgung von Minderheiten führe. Videokameras erhöhen auch nicht die Sicherheit. Sie ändern nur den Tätertyp und das Kalkül der Täter. Friedrich Nietzsche stellte einmal fest, dass schärfere Strafen nicht die Zahl der Verbrechen reduzieren, weil ein Täter ohnehin davon ausgeht, das gerade er nicht ertappt werde. So spielen auch Millionen Menschen in der Lotterie mit, obwohl sie wissen, dass ihre Chancen zu gewinnen, gering sind. Jeder hofft eben, zu den wenigen Glücklichen zu gehören. So werden Täter in einer hochgradig überwachten Umgebung Masken aufsetzen oder gleich mit ihrem Leben abschließen, bevor sie das Verbrechen begehen. Dass bestimmte Sicherheitsvorkehrungen quasi automatisch die Zahl der Täter reduzierten, würde zum Einen voraussetzen, dass alle Menschen immer gleich denken und von vornherein nur bereit sind, bestimmte Risiken oder Konsequenzen in Kauf zu nehmen, so, als würde jeder Mensch mit einer fixen, unveränderlichen Programmierung durchs Leben gehen. Werden die Hürden höher gesetzt, als er zu gehen bereit ist, gibt er auf. Tatsächlich sind Menschen aber flexibel! Das hat sie im Laufe der Evolution so erfolgreich gemacht. Das macht sie aber auch so schwer berechen- und beeinflussbar! So kann jemand, der es eigentlich vorziehen Würde, ein Attentat zu überleben, das Risiko eingehen, zu sterben, wenn die Umstände es verlangen. Dass er überleben möchte, muss schließlich nicht auf einer quasi angeborenen Feigheit beruhen! Es kann auch auf dem Gefühl der Verpflichtung beruhen, weiterhin der 'Sache' weiterhin zu dienen.
Wenn die Geschichte uns etwas gelehrt hat, dann, dass Veränderungen, mögen es nun technische Erfindungen oder gesetzliche Maßnahmen sein, selten das bewirken, was man sich erhoffte, sobald Menschen im Spiel sind. Schon die Natur kann man nur bis zu einem gewissen Grad berechnen, Menschen noch viel weniger. Als die amerikanische Regierung den Alkohol verbot, hätte sie sich nicht träumen lassen, dass das den Kriminellen den entscheidenden Schub geben würde, sich zu großen Organisationen zu vereinigen. Das Maschinengewehr sollte ebenso wie die Atombombe alle Kriege für immer beenden. Beide haben nur das Gesicht des Krieges verändert, Kriege zum Teil verlustreicher gemacht. Beendet haben sie sie nicht. So sollten wir uns davor hüten die Freiheit, die wir haben aufzugeben, um dafür im Austausch vielleicht Nichts, vielleicht Schlimmeres bekommen!
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