Alles ist so verwirrend

Irgendwie ist heutzutage alles verwirrend. Wenn man den Gelehrten Glauben schenken will, herrscht heutzutage irgendwie alles! Dem einen zufolge ist es das Geld, das alles bestimmt, dem anderen zufolge die Macht, - manche meinen sogar: der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Und dann gibt es wieder die, die beruhigen, alles sei doch gar nicht so schlimm wie alle sagen. Aber was soll das?

Wissenschaftler und Journalisten scheinen heutzutage nicht anders als alle anderen auch in Echo-Kammern, Informations-Blasen oder anderen privaten Räumlichkeiten zu leben. Das kommt unter anderem ganz einfach daher, dass es noch nie so viele Informationen über so viel Welt gegeben hat wie heute! Vergleicht man unsere Situation mit der eines mittelalterlichen Bauern, dessen Welt bis zum nächsten Dorf reichte, wird deutlich, was unser Problem ist. Nicht nur, dass wir heute über wesentlich mehr Möglichkeiten verfügen, an Informationen zu gelangen - wir werden mit ihnen eigentlich sogar geradezu beschossen! - es ist auch viel mehr da, worüber man informiert werden kann. Es gibt zum Einen mehr Menschen als im Mittelalter - damals gab es gerade einmal 100 Millionen weltweit, heute das 70fache!

Nun sind die Menschen eigentlich nicht so verschieden wie sie meinen oder hoffen. an kann sie nach Einkommensklassen oder Lebensumfeld (Stadt/Land), Zugang zu Strom und Wasser usw. klassifizieren. Und dann haben alle Angehörigen einer dieser Gruppen weltweit in etwa den gleichen Alltag, und die gleichen Probleme, Ängste, Freuden und Hoffnungen. Aber nicht alle, die nichts Besonderes sind, wissen um ihre Gewöhnlichkeit und versuchen, ihre Existenz mit anderen zu teilen. Diese wiederum sind darüber oft auch gar nicht so unglücklich und nehmen an den Banalitäten ihrer Mitmenschen gerne Anteil. Das ist eine biologische Besonderheit des Menschen, tief in seinen Genen verankert, die ihn vom Tier unterscheidet und vermutlich das Geheimnis seines Erfolges ausmacht.

Es trägt aber auch zu einem Strom von Informationen bei, in dem Wichtiges von Unwichtigem so schwer zu trennen ist wie Falschgeld von echtem. So geht man zu seinen Informationsquellen, wie zu seinem Metzger oder Friseur, weil man dort bisher immer zur eigenen Zufriedenheit bedient wurde. Es wird ja immer gefordert, dass man bewusst einkaufen solle! Natürlich geht das Bewusstsein nicht so weit, dass man wüsste, welche Stoffe in den Lotionen des Friseurs enthalten sind, oder ob das Schwein in der Wurst, die mein Metzger mir verkauft, glücklich war. Es handelt sich eher um eine Form von (Selbst-)Beschränkung als von Bewusstsein! Ja, das Bewusstsein fehlt ein wenig. Routine ersetzt die Prüfung. Beim Raucher finden wir ein ähnliches Phänomen: er raucht weiter, weil es ihn bisher noch nicht umgebracht hat. Auch das ist eine Angewohnheit, die sich im Laufe der Evolution bewährt hat: die Gewohnheit selbst! 

Aber außer den vielen Kanälen, die uns Informationen liefern, gibt es auch noch die vielen Dinge, über die sie uns benachrichtigen! Physiker erzählen uns sogar vom Anfang aller Dinge, und zwar ausführlich und nicht auf einer Seite wie die Bibel - und mathematisch und nicht als Geschichte mit einem Protagonisten! Und wie reagieren wir darauf?Schon der schottische Philosoph David Hume berichtete angesichts der Zeitungs-Nachrichten von dem Phänomen, dass wir uns kurz emotional erregen lassen, etwa Mitleid mit den Opfern eines Bergrutsches in Chile haben, um uns dann der nächsten Nachricht zuzuwenden. Kurz: wir schalten auf Durchzug. Man könnte sagen: wir stumpfen ab. Aber das stimmt so gar nicht! Wir sind so empfindlich gegenüber dem Schicksal andere, wie wir es immer waren. Es gibt nur mehr Gelegenheiten, bei denen wir an uns selbst feststellen, dass wir einfach nicht oder nicht in einem Maße emotional darauf reagieren, wie wir es von uns selbst erwarten würden. Wie beim Verrückten könnte man sagen: wer glaubt, abgestumpft zu sein, ist es nicht! Denn er besitzt genug Feingefühl, um zu registrieren, wann er wie stark reagiert und mehr Anteilnahme von sich zu erwarten. Aber in einer Welt der Informations-Überflutung ist kurze Anteilnahme manchmal das richtige Maß an Anteilnahme. Dabei vergreifen wir uns natürlich manchmal in der Länge und Intensität.   

Und weil nun die Wissenschaftler und im Übrigen auch die Politiker und alle anderen Experten, die uns Ratschläge geben, selbst auch in Echo-Kammern leben, sich selbst auch schützen, indem sie Vieles nicht sehen, an vielem keinen Anteil nehmen, kommen sie alle zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen über die Welt und erzählen sie auch alle etwas Anderes. Manche behaupten, alles drehe sich nur noch um Geld. Andere, alles drehe sich nur noch um Aufmerksamkeit, gutes Aussehen, Geld usw. Zählt man alles zusammen, kommt man zu dem Schluss, dass sich alles nur noch um alles Mögliche drehe! 

Wenn man in Millionengesellschaften in einer Milliardenwelt zusammenleben will, muss man gewisse Standards einführen. Es kann nicht jeder nach seiner Fasson glücklich werden. Die Möglichkeiten müssen begrenzt werden! Man muss Kompromisse finden, kleinste gemeinsame Nenner. Das Unangenehme an kleinsten gemeinsamen Nennern ist  nun aber, dass sie so klein sind! Daran stößt man sich. Man sieht eben immer deutlicher, was man nicht hat als, was man hat, und fühlt sich (wie Max Weber) in der Zivilisation eingesperrt wie in einem Eisenkäfig. Dann wünscht man sich in eine längst vergangene Welt zurück, oder in die Zukunft oder eine Welt die es gar nicht gibt, nie gegeben hat und nie geben wird, und in der wir keine Kompromisse eingehen müssen. Da muss man sich dann für eine der vorhandenen Echokammern entscheiden oder seine eigene aufmachen - vielleicht auch als Sub-Echokammer. Und wenn dann etwa ein Politiker etwas erzählt, das nicht in unsere Echokammer passt, behaupten wir kurzerhand, dass alle Politiker lügen, um unsere kleine Kammer zu schützen, die uns einengt, aber auch vor einer Welt von Informationen schützt, die nicht in die noch kleinere Kammer unseres Kopfes passen. Und so füllen wir unsere Kammern mit kuscheligen alternativen Fakten, damit sie nicht einstürzt.

Es wird wohl noch lange dauern, bis wir Mittel und Wege gefunden haben werden, dauerhaft mit den Massen an Informationen fertig zu werden, die uns heute mindestens so sehr bedrohen wie beglücken und eine der größten Herausforderungen unserer Zeit darstellen. Wir brauchen eine Kunst des Wissens! Es ist nun einmal immer so, dass man erst verschlingt und dann (hoffentlich) verdaut, erst ins Wasser geworfen wird und dann hoffentlich schnell genug schwimmen lernt -    

 

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